Der ‚Bundesweite Vorlesetag‘ an der GMS Karlsbad-Waldbronn – ein Ereignis mit vielfältigen Facetten
Zum zweiten Mal in Folge widmete die Fachschaft Deutsch dem ‚Bundesweiten Vorlesetag‘, der von der Stiftung Lesen betreut wird, mehrere Projekte, die sich – wie der Namen erwarten lässt – dem Lesen und Vorlesen widmeten. Mehr als 173.000 Vorleserinnen und Vorleser, so die begeisterte Rückmeldung der Stiftung Lesen, nutzten bundesweit den dritten
Freitag im November, um den Zuhörern ihre ‚Lieblingsgeschichten‘ darzubieten – unsere Schule gehörte dazu!
Einige Eltern und zahlreiche Schüler nahmen am 17. November die Jahrgangsstufe 6 der GMS Karlsbad-Waldbronn mit auf ihre Vorlese-Reise durch die fantastische Welt der Bücher. Realisiert wurde diese in den Räumlichkeiten der Schule und umfasste eine ‚Echtzeit‘ von drei Stunden. Zwölf Stationen verteilten sich auf sieben Zimmer, einige davon mit mehreren
Lese-Inseln, die akustisch geschützt hinter Trennwänden oder hohen Containern verborgen waren. Schüler aus der Jahrgangsstufe 6 begaben sich auf ihre – strategisch und logistisch sorgfältig ausgearbeitete – Lese(r)-Tour: Jeder Vorleser hatte vier bis sechs Zuhörer bei sich, die aufmerksam seinen Worten lauschten. A. Schlager und S. Haubrok, beide Deutschlehrer dieser Jahrgangsstufe, übernahmen die Rollen der Zeitwächter und Signalgeber für die Stationenwechsel. Insgesamt lasen 35 Schüler aus den Jahrgangsstufen 6-8 sowie vier Mütter. Den Zuhörern bot sich ein bunter Reigen an Geschichten, individuell nach dem Geschmack ihrer Vorleser gestaltet und präsentiert. Das Lernatelier wurde in der Pause zu einem Bankettsaal umgestaltet, in dessen Mitte ein reichhaltiges und vielfältiges Arrangement verschiedener Fingerfood-Spezialitäten die erschöpften Gäste zu einer Stärkung einlud. Fast jeder Schüler der Jahrgangsstufe hatte eine Köstlichkeit beigesteuert, so dass Körper und Geist diesen Freitag in vollen Zügen genießen konnten.
Eine kleine Schar von zehn Schülern der Jahrgangsstufe 7 besuchte am selben Vormittag die Seniorenresidenz Kurfürstenbad in Langensteinbach. Als die Deutschlehrer die Idee, dass die Schüler auch einmal einem älteren Personenkreis ihre Lieblingsbücher vorstellen sollten, den drei Lerngruppen der Jahrgangsstufe präsentierten, war die Zahl der Interessenten so groß, dass das Los entscheiden musste. Auch hier war das Angebot an Lesestoff sehr vielfältig, moderne Autoren und ‚Klassiker‘ wie Astrid Lindgren und Percy Jackson hatten die Jugendlichen vorbereitet und im Gepäck. Frau Pai hatte als Mitarbeiterin der Einrichtung alles bestens im Vorfeld organisiert und deren Bewohner auf das Kommen
der Schülergruppe vorbereitet. Je zwei Zweier- und Dreierteams begaben sich zu vier Räumen, wo sie schon erwartet wurden. Für die Jugendliche war es eine tolle Erfahrung, zum einen weil sie laut, langsam und gut artikuliert lesen mussten, um von ihren Zuhörern verstanden zu werden, zum anderen weil sie sich durch deren Aufmerksamkeit sehr wertgeschätzt fühlten. Heutzutage ist es nicht mehr selbstverständlich, dass die Großeltern in der Nähe wohnen und die jungen Menschen das Altwerden als Prozess hautnah miterleben. Daher waren die Schüler überrascht, welch hohes Alter manch einem der
Senioren vergönnt war und ist. Bei der Verabschiedung zeigten einige Mädchen großes Interesse, in dieser oder einer ähnlichen Einrichtung ein Praktikum durchzuführen, um die Aufgaben im Bereich der Pflege genauer kennen zu lernen. Frau Pai erklärte der Gruppe, dass der 17. November in ihrem Hause ganz im Zeichen des Vorlesens stünde und am
Nachmittag etliche Senioren literarische Kostproben darbieten wollten. Ebenso wie die schulischen Vorleser beurteilen die ‚Fremdgänger‘ ihre Vorlesereise als eine sehr gelungene Sache. Doch auch diejenigen, die am ‚Bundesweiten Vorlesetag‘ regulären Unterricht hatten, sollten in den Genuss des Vorlesens kommen. Die Fachschaft Deutsch konnte den deutschen Autor Andreas Kirchgäßner für eine Lesung am darauffolgenden Montag gewinnen. In den frühen Morgenstunden des 20. Novembers präsentierte er der Jahrgangsstufe 7 sein Jugendbuch ‚Traum-Pass‘, in dessen Mittelpunkt zum einen das nigerianische Fußballtalent Akono steht, das von einer Fußballkariere in Europa träumt, zum anderen das vierzehnjährige
Freundespaar Alexa und Ben aus Deutschland. Alexa macht Akono zum Star ihres Filmprojekts, was die Eifersucht ihres Freundes Ben provoziert. Aber auch die Tatsache, dass der nigerianische Shootingstar Ben aus der Spitzenposition als bester Stürmer seines Fußballvereins verdrängt, lässt den jungen Deutschen zu Mitteln greifen, die weitreichende
Folgen haben. Akono gerät in die Mühlen der deutschen Bürokratie und wird nach Nigeria abgeschoben, er kann nicht zurück in seine Heimat, weil alle ihm Geld für seinen Transfer nach Europa geliehen haben, das er nicht zurückzahlen kann. Geschickt verbindet der Autor zwei Welten – die der in Wohlstand und Sicherheit lebenden Alexa und die des um sein
Leben kämpfenden Akono. A. Kirchgäßner unterbrach wiederholt seinen Vortrag, um mit Hilfe von Erklärungen und Bildern Inhalt und Kontext des Romans seinen Zuhörern näher zu bringen.

Nach einer kurzen Pause drängten die Schülerinnen und Schüler der fünften Jahrgangsstufe in das neue Lernatelier der Gemeinschaftsschule. Für sie hatte A. Kirchgäßner sein Jugendbuch ‚Anazarah‘ mitgebracht, aber auch Sahara-Sand, da dessen vierzehnjährige Heldin Sarah bei einer Expedition durch die Sahara in ein Unwetter gerät und auf spektakuläre Weise von ihrer Mutter und deren Freund Thomas getrennt wird. Der Beduinenjunge Abderrahmane rettet Sarah und deren Hund Basti – gemeinsam ziehen sie auf zwei Kamelen durch die Wüste, um Sarahs Mutter wiederzufinden. Diese Reise ist
gefährlich und bringt die beiden Jugendlichen an ihre physischen und psychischen Grenzen. Als Sarah sich am Ziel wähnt, wird ihr junger Begleiter von Soldaten festgenommen und verschleppt. Am Ende ihrer Kräfte reitet Sarah auf ihrem Kamel durch die Wüste, um nun auch ihren beduinischen Freund und Lebensretter zu finden. Gespannt und fasziniert lauschten die Zuhörer Kirchgäßners Erklärungen und Ergänzungen. Neben dem Sahara-Sand hatte der Autor einen Chech, die Kopfbedeckung der Beduinen, mitgebracht und zeigte den Jugendlichen, wie man ihn anlegt. Beide Romane basieren auf
Erfahrungen, die der Autor bei seinen vielfachen Reisen durch die Sahara bzw. durch Afrika gesammelt hatte. Im Anschluss an seine Lesungen stellte sich A. Kirchgäßner den Fragen seiner Zuhörer. Sowohl Schüler als auch Lehrer bekundeten, dass sie durch die Autorenlesung einen intensiveren Zugang zum Buch gefunden hätten, als ihnen dies durch
das Selbst-Lesen hätte gelingen können. Die Fachschaft Deutsch zeigte sich zufrieden über die Umsetzung ihrer Planungen – für das nächste Jahr entstehen bereits neue Ideen. An dieser Stelle möchten sich alle Beteiligten
herzlich beim Förderverein der Gemeinschaftsschule bedanken, der einen Großteil der
Kosten für die beiden Lesungen übernommen hat.